ARAG – Vorschuss? Nie gehört! (Fortsetzung)

Am 28.11.06 habe ich über eine Bußgeldsache berichtet, in welcher die ARAG sich geweigert hat, einen Vorschuss auf noch nicht angefallene Vergütung zu zahlen. Hier nun die Fortsetzung des Falles:

Mein Schreiben an den Mandanten, dass das Verhalten der ARAG nicht rechtens sei und mir gem. § 14 RVG und Rechtsprechung ein Vorschuss auch auf noch nicht entstandene Gebühren zustehe, hat der Mandant der ARAG vorgelegt, die ihm (und mir nachrichtlich) Folgendes mitteilt:

„Die von Ihrem Anwalt erhobenen Vorwürfe halten wir für völlig unberechtigt, da wir unverzüglich einen Gebührenvorschuß in Höhe von 296,20 € leisteten. Damit ist die Tätigkeit im Vorverfahren (so auch unser Vermerk auf dem überweisungsträger) in Höhe der Mittelgebühren großzügig bevorschußt. Da noch nicht einmal ein Bußgeldbescheid vorliegt, kann man weder von einer Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren ausgehen noch Iäßt sich alternativ die Zusatzgebühr RVG-Nr. 5115 abrechnen, sollte z.B. der anwaltliche Rat erfolgen, den ergehenden BG-Bescheid zu akzeptieren.“
Schauen wir doch einmal, was Rechtsprechung und Kommentarliteratur zu dieser Auffassung sagen:

1. „… in Höhe der Mittelgebühren großzügig bevorschußt“

Die Mittelgebühr ist grundsätzlich dann zu erstatten, wenn es sich um eine durchschnittliche Angelegenheit handelt sagt z.B. das AG München (Urteil v. 05.08.05 – 122 C 10289/05). Sie soll gelten und damit zur konkreten billigen Gebühr in den „Normalfällen“ werden, d. h. in den Fällen, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 I 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/ Müller-Rabe, RVG Kommentar, 16. Aufl., § 14 RVG, Rdnr. 29).
Im vorliegenden Fall geht es um den Vorwurf, der Mandant habe eine Ampel missachtet, die schon mehr als 1 sec. „Rot“ zeigte. Dafür drohen: ein Bußgeld von 125 EUR, 1 Monat Fahrverbot und der Eintrag von 4 Punkten im Flensburger Register. Nach LG Gera JurBüro 2000, 581 und LG Potsdam MDR 2000, 581 liegt bei Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten insbesondere dann, wenn ein Eintrag von mehr als zwei Punkten in Betracht kommt, eine so hohe Bedeutung für den Betroffenen vor, dass sogar eine erhöhte Gebühr zu veranschlagen sein könnte. Nach Gerold/ Schmidt/ v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG Kommentar, 16. Aufl., § 14 RVG, Rdnr. 92 ff) ist die Mittelgebühr auf alle Fälle gerechtfertigt und bei umfangreicher Tätigkeit oder überdurchschnittlicher Bedeutung auch zu überschreiten, etwa wenn wenn Eintragungen in der sogenannten „Verkehrssünderkartei“ oder ein Fahrverbot in Frage stehen.

Worin besteht also die Großzügigkeit, wenn die ARAG die verlangte Mittelgebühr gezahlt hat?

2. „… kann man weder von einer Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren ausgehen noch Iäßt sich alternativ die Zusatzgebühr RVG-Nr. 5115 abrechnen, sollte z.B. der anwaltliche Rat erfolgen, den ergehenden BG-Bescheid zu akzeptieren.“

Der Mandant wurde wegen des angeblichen Verstoßes von einem Polizeibeamten angezeigt. Kann man erwarten, dass die Bußgeldbehörde keinen Bußgeldbescheid erlassen wird?
Der Mandant bestreitet den Verstoß. Kann man erwarten, dass es zu einem Gerichtsverfahren kommen wird?

Das AG Darmstadt (Urteil vom 27.06.05 – 305 C 421/04) hat der ARAG (welche ein Zufall!!) ins Stammbuch geschrieben:
„Ein Kostenvorschuss kann zudem bis zu der Fälligkeit der Endrechnung verlangt werden. Die Angemessenhelt des hier verlangten Vorschusses entfällt auch dann nicht, wenn die RechtsanwäIte von der Möglichkeit zur vollen Ausschöpfung des Rahmens der Vorschussberechnung Gebrauch gemacht haben, da ein Anwalt im Sinne des § 9 RVG alle voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen in die Berechnung aufnehmen kann. Zum eindeutigen Wortlaut des § 9 RVG tritt auch der Gesichtspunkt der Erfordernis der Transparenz im Rahmen der Gebührenberechnung. Bei der GeItendmachung alIer zu erwartenden Gebühren des Verfahrens wird gerade de Transparenz des Berechnungsumfangs verstärkt gewährleistet.“

Die ARAG hat also die Stirn, ihren Versicherungsnehmern gegenüber zu behaupten, eine Abrechnung, welche diesem gegen sie ergangenen Urteil entspricht, sei nicht rechtmäßig! Das muss man nicht mehr kommentieren!

Nachsatz:
Heute ging der Bußgeldbescheid über nur 50 EUR *ohne* Fahrverbot ein. Der Mandant wird nach Besprechung mit mir diesen erträglichen Bescheid akzeptieren. Damit ist die von mir als Vorschuss geforderte Vergütung ist damit wie vorhersehbar auch angefallen!

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