Schlechte Erfahrungen mit der Advocard

Der Bremer Rechtsanwalt Ralf-Carsten Bonkowski, der gleichzeitig auch Fachanwalt für Arbeitsrecht ist, berichtet über seine Erfahrungen mit der „Advocard Rechtsschutzversicherung“. Eigentlich hatte er „nur“ einen Kommentar zu einem Beitrag hier im RSV-Blog über die Advocard geschrieben; der Redaktion erschien dieser Kommentar es aber wert, in der ersten Reihe veröffentlicht zu werden.

Ich habe für die Mandantin eine Kündigungsschutzklage erhoben. Neben den Anträgen, festzustellen, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet und dass es über den vom Arbeitgeber angenommenen Beendigungszeitraum hinaus besteht, habe ich auch den sogenannten Weiterbeschäftigungsantrag gestellt, also den Antrag, die beklagte Firma zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen in ihrem Beruf weiter zu beschäftigen.

Daraufhin teilte die Versicherung mir mit Schreiben vom 10.01.2008 mit, dass „für den allgemeinen Feststellungsantrag/Fortbestehensantrag kein Rechtsschutz bestehe, da diesbezüglich kein Rechtsschutzfall eingetreten ist.“

Diese Mitteilung ist von einem gewissen übereifer getragen, irgendwelche Zahlungen der Versicherung in jedem Fall zu vermeiden, weil ohnehin diese Anträge sich nicht streitwerterhöhend auswirken, Mandanten und Rechtsschutzversicherer also keine Zusatzkosten entstehen.

Gravierender ist ff. Mitteilung der „Advocard Rechtsschutzversicherung“ im selben Schreiben:

„Bitte beachten Sie, dass der Weiterbeschäftigungsantrag erst nach gescheiterter Güteverhandlung versichert ist.”

Diverse Fachautoren, so zum Beispiel Meyer in Brieske, Teubel, Scheungrab, Münchener Anwaltshandbuch Vergütungsrecht, München 2007, § 17 RdNr. 95 und Hümmerich in Arbeitsrecht, 5. Auflage Bonn 2004, § 6, RdNr. 105 bezeichnen es als groben taktischen Fehler, den Weiterbeschäftigungsantrag nicht schon in der Klageschrift zu stellen, weil dieser Antrag zu einer durchschlagenden Wirkung führt, wenn der Arbeitgeber nicht erscheint oder sich nicht ordnungsgemäß vertreten lässt.

Letzteres habe ich der „Advocard Rechtsschutzversicherung“ mit Schreiben vom 29.01.2008 mitgeteilt (obwohl ich selbstverständlich davon ausgehen kann, dass die „Advocard Rechtsschutzversicherung“ über die rechtlichen Gegebenheiten informiert ist.) Gleichzeitig habe ich die „Advocard Rechtsschutzversicherung“ gebeten, mir die genaue Stelle der allgemeinen Rechtsschutzbedingungen mitzuteilen, aus der sich ergeben soll, dass der Weiterbeschäftigungsantrag erst nach gescheiterter Güteverhandlung versichert sei. Auf die Beantwortung dieser Frage warte ich heute (am 02.06.2008) noch.

Diese Frage werden wir gerichtlich nicht klären können, weil ich in dem von mir bearbeiteten Fall (meiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht entsprechend) trotz der schrägen Rechtsauffassung der „Advocard Rechtsschutzversicherung“ den Weiterbeschäftigungsantrag in der Klageschrift gestellt habe und die Güteverhandlung gescheitert ist.

Da die „Advocard Rechtsschutzversicherung“ mir mit Schreiben vom 10.01.2008 ganz allgemein und unaufgefordert mitgeteilt hatte, dass sie Mehrkosten, die sich durch eine zunächst außergerichtliche und dann gerichtliche Interessenwahrnehmung ergeben würden, nicht übernehme, hatte ich in meinem Schreiben vom 29.01.2008 angefragt, ob diese Regelung auch für mein Tätigwerden im Falle von zweistufige Ausschlussfristen in Tarifverträgen gelte.

Darauf ließ die „Advocard Rechtsschutzversicherung“ mich durch ihr Schreiben vom 29.01.2008 wissen, dass „nach der Rechtsprechung des BAG vom 11.12.2001 zu 9 AZR 510/00 in der Kündigungsschutzklage zugleich die Geltendmachung von Annahmeverzugslohnansprüchen für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist zu sehen“ sei.

Dem Arbeitsrechtler ist natürlich bekannt, dass dieses Urteil sich nur auf einstufige Ausschlussfristen bezieht.

Obwohl ich DAV-Mitglied bin, werde ich mich mit Sicherheit nicht als Versicherungsvertreter zu Gunsten der „Advocard Rechtsschutzversicherung“ betätigen.

Dem Schluß, den der Kollege da zieht, kann man eigentlich nur teilen. Welcher Teufel den Deutschen Anwaltverein (DAV), geritten hat, sich als der selbst ernannte „Anwalt der Advocard Anwälte“ vor den Werbekarren dieses Versicherers spannen zu lassen, wird der Anwaltswelt wohl verborgen bleiben.

Nicht wenige Anwälte überlegen deswegen, daß so ein Verhalten des Vorstands jenes Vereins eigentlich mit dem massenhaften Austritt quittiert werden sollte. Oder zumindest mit der Wüstenverschickung der dafür verantwortlichen Versicherungsvertreter Kollegen.

2 Responses to “Schlechte Erfahrungen mit der Advocard”

  1. anonymisiert sagt:

    BItte die Fundstelle des BAG korrigieren:

    Die Entscheidung wurde am 11.12.2001(!) verkündet.

    Von Interesse sind in diesem Zusammenhang die Randnoten 16 pp.
    Die Vorinstanz war das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in Stuttgart (die in der Entscheidungssammlung des Landes Ba-Wü eingepflegt ist.

  2. anonymisiert sagt:

    Bei Weiterbeschäftigungsantrag und Feststellungsantrag hat der Kollege Bonkowski völlig recht. Bei klammen Arbeitgebern droht bei Säumnis in der Güteverhandlung und Rechtskraft des Versäumnisurteils das Leerlaufen des Beschäftigungsanspruchs. Die Kündigungsschutzklage wahrt nach neuster Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber jedenfalls auch arbeitsvertragliche zweistufige Ausschlussfristen. Das BAG (BAG, Urteil vom 19.03.2008 Aktenzeichen 5 AZR 429/07) hat für die folgende Verfallsfrist im Arbeitsvertrag:

    „Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen”.

    erst kürzlich festgestellt, dass diese Klausel unwirksam ist, weil sie dem Arbeitnehmer einseitige Pflichten bei der Kündigungsschutzklage auferlege und der normale Arbeitnehmer davon ausgehen dürfe, dass die Kündigungsschutzklage zur Wahrung auch der Entgeltansprüche trotz zweistufiger Fristenregelung ausreiche.

    Allerdings gilt diese auf die AGB Kontrolle von Arbeitsverträgen zurückzuführende Trendwende nicht für tarifvertragliche zweistufige Ausschlussfristen, so dass die Sache für den Arbeitnehmeranwalt eher komplizierter wird. Auch bei arbeitsvertraglichen Verweisungen auf Tarifverträge sollte jedenfalls – und kann entsprechende Deckung verlangt werden – bei einer zweistufigen Verfallfrist immer das Gehalt eingeklagt werden.

    Das Problem insgesamt ist allerdings, dass das Niveau der Bearbeitung der Rechtsschutzanträge bei den Versicherern inzwischen nur noch als unzumutbar bezeichnet werden kann. Ich leite das an sich überflüssige zweite Schreiben nach Ablehnung der Deckung inzwischen immer häufiger mit dem Satz ein: „Es ist nicht Aufgabe des Unterzeichners, dem Versicherer Nachhilfeunterricht im Arbeitsrecht zu geben …“.