AdvoCard spinnt

Die Gebührenkürzer der AdvoCard sind mal wieder am Werk – dieses mal wird’s besonders schräg:

In einer Owi-Sache, in der einiger argumentativer Aufwand betrieben wurde, bis das Gericht das Verfahren endlich per Beschluss einstellte, hatte ich die Mittelgebühren nebst der Erledigungsgebühr geltend gemacht.

AdvoCard erstellt eine spezifizierte Aufstellung aller Rechnungspositionen, übernimmt diese auch sämtlich in der geforderten Höhe, bis auf die Erledigungsgebühr, die von 135.- auf 100.- € gekürzt wird.

Es folgt dann ein langweiliger Textbaustein, wonach „für die Verteidigung eines Betroffenen, dem eine Verkehrs-Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird, als angemessene Gebühren grundsätzlich nur unterhalb der Mittelgebühren liegende Gebühren in Betracht“ kommen. Dass das nicht unbedingt der herrschenden Meinung entspricht sei nur am Rande erwähnt. Insbesondere stellt sich dann aber die Frage, weshalb hier dann – bis auf die Erledigungsgebühr – die Mittelgebühren akzeptiert werden. Was soll also das BlaBla?

Geradezu köstlich ist ein weiterer Satz:

Unter Berücksichtigung des Ihnen zustehenden (!) anwaltlichen Ermessens hallten wir (!) die Gebühren unserer obigen Abrechnung für angemessen.

Zu gütig – die AdvoCard berücksichtigt also mein Ermessen, modifiziert dieses aber dann nach eigenem Gutdünken. § 14 Abs. I S. 1 RVG muss also offensichtlich ergänzt werden:

Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, … sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sowie insbesondere der – ggf. auch irrigen – Rechtsauffassung der Rechtsschutzversicherung des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

Und irrig ist die Auffassung der AdvoCard hier allemal:

Die Gebühr 5115 ist klar definiert: Sie entsteht in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr, und zwar

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem Rechtszug, in dem die Hauptverhandlung vermieden wurde. Für den Wahlanwalt bemisst sich die Gebühr nach der Rahmenmitte.

Ergo in Höhe der Mittelgebühr, da ist nichts mit Kürzung. Wie sagte schon der Kollege Burhoff? „Man sollte die Gesetzesbegründung lesen“. Eben! Ansonsten hilft auch ein einschlägiger Kommentar, so z.B. Schneider/Wolf Nr. 5115 VV RVG Rn. 81 ff. m.w.N.: „Faktisch handelt es sich hier … um eine Festgebühr“.

Aber wahrscheinlich wird man bei AdvoCard wieder auf ein paar ganz vereinzelte Entscheidungen von Gerichten verweisen, die ebenfalls das Gesetz wohl nicht ganz verstanden haben.

7 Responses to “AdvoCard spinnt”

  1. anonymisiert sagt:

    Sehr köstlich – wirklich, aber zugleich auch bedenklich. Wie kann ein Rechtsschutzversicherer, der sich einer Empfehlungspartnerschaft mit dem DAV rühmt, seine Partner (ich unterstelle mal, Herr Kollege Melchior, das Sie Vereinsmitglied sind) so für dumm verkaufen? Oder handelt es sich sich bei der Falschabrechnung durch die AdvoCard um einen bedauerlichen Irrtum? Ich würde fast darauf wetten, dass im kommenden Stellungnahmeschreiben der Versicherung selbiges oder ähnliches drinsteht.

  2. anonymisiert sagt:

    Das scheint das neueste Steckenpferd der RS-VR zu werden: Die Kürzung der Mittelgebühr in allen Bereichen. Argumente gehen nie aus. Dieses war zu einfach, jenes zeitlich zu kurz. Das wirkt fast wie eine konzertierte Aktion…

  3. anonymisiert sagt:

    Die Advocard wird immer schlimmer.
    In den letzten Tagen habe ich 5 Schreiben von denen bekommen und bei jedem einzelnen schwillt mir der Kamm.
    Kann das sein, dass die seit dem „Kooperationsabkommen“ mit dem DAV meinen, sie könnten alles mit uns machen?

  4. anonymisiert sagt:

    War das auch „Anwalts Liebling“:
    http://blog.beck.de/2010/02/26/vorsicht-im-umgang-mit-rechtsschutzversicherungen

      Ich weiß es nicht, bin aber noch dabei, es zu ermitteln. RA Hoenig
  5. anonymisiert sagt:

    Am 24.2.2010 hatte zu diesem Beitrag Herrn Rechtsanwalt Melchior und der Redaktion des rsv-blog eine Nachricht geschickt. Da auf diese keine Reaktion erfolgte, gebe ich sie im Wortlaut wieder.
    Udo Henke/Advocard

    „Sehr geehrter Herr Melchior,
    vielen Dank für die Zusendung Ihres Beitrages im RSV-Blog „Advocard spinnt“.
    Meine Bitte wäre, dass Sie nochmals einen Blick auf unser Schreiben vom 16.02.20010 werfen und dann bitte im RSV-Blog klarstellen, dass Advocard die Gebühr Nr. 5115 nicht gekürzt, sondern in Höhe der Mittelgebühr gezahlt hat. Bitte gegen Sie davon aus, dass wir mit den Literaturansichten und der (ganz) überwiegenden Rechtsprechung selbstverständlich die Gebühr Nr. 5115 in Höhe der Mittelgebühren zahlen.
    Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
    Udo Henke

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    falls Herr Rechtsanwalt Melchior die von mir erbetene Korrektur/Klarstellung nicht abgeben möchte oder kann, wäre meine Bitte, den Text meines Anschreibens an Herrn Rechtsanwalt Melchior als weiteren Kommentar zu dem Beitrag im rsv-blog einzustellen.
    Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
    Udo Henke“

  6. anonymisiert sagt:

    … und welche Sachverhaltsversion stimmt jetzt?

  7. anonymisiert sagt:

    Meine jüngste Erfahrung mit „Anwalts“ – und der Mandanten? – „Liebling“:

    GMX fordert von meinem minderjährigen Mandanten 17,90 EUR zzgl Inkassokosten, insgesamt 78,05 EUR. Auf mein Abwehrschreiben hin teilt das von GMX beauftragte Inkassobüro mit, man sei „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht bereit, eine außergerichtliche Lösung herbeizuführen … unter der Voraussetzung gegenseitiger Kostenaufhebung“. Die Kostenzusage für diese Lösung verweigert AdvoCard unter Hinweis auf § 5 3 b) der ARB.

    Selbst wenn formal o.k.: muss wegen einer Einigungsgebühr von gerade einmal 35,70 EUR tatsächlich die Hängepartie weitergehen?

    RAUG